Vor 35 Jahren feierte der Spielfilm «Yol» Kinopremiere und wurde 1982 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Das Flüchtlingsdrama, von Schweizern produziert, verhalf Regisseur Yilmaz Güney zu Weltruhm. Nun hat Produzent Edi Hubschmid die bewegten Jahre um diese Filmproduktion in einem Buch beschrieben, das im April in Kurdistan vorgestellt wird – auf Deutsch, Türkisch und Kurdisch.

Artikel von Rolf Breiner erschienen anfang April 2017 auf http://www.literaturundkunst.net/

«Eine lange Reise nach Kurdistan – Edi Hubschmids Buch «Yol» erscheint auf Kurdisch und Türkisch»

Ein Thema aktueller denn je: Flüchtlingsschicksale, Unterdrückung, Widerstand und Hoffnung. Fünf kurdische Strafgefangene erhalten Hafturlaub. Einer wird aufgegriffen, weil er seine Papiere verloren hat, ein anderer erschossen, ein dritter kommt mit der Freiheit auf Zeit nicht klar. Zwei weitere kehren aus verschiedenen Gründen nicht ins Gefängnis zurück. «Yol» beschreibt ein zerrissenes Land nach dem Militärputsch 1980 und versucht, «die Lebensumstände der Menschen in der Türkei nachzuzeichnen, den Widerstand aus dem Volk, besonders den Widerstand jener Menschen, die als Angehörige der kurdischen Nation leiden, die Situation der Frau in der türkischen Gesellschaft und die schlimmen Folgen einer patriarchalischen Moral» (so Yilmaz Güney im Presseheft 1982).

Der Schweizer Edi Hubschmid, Mitbegründer der Cactus Film AG, und Donat Keusch produzierten den Film unter abenteuerliche Bedingungen. Schauspieler, Autor und Filmer Yilmaz Güney sass im türkischen Gefängnis und hatte dennoch Wege gefunden, seinen Stoff «Yol- Der Weg» quasi auf Distanz zu drehen. Er gab seinem Vertrauten und Mitarbeiter Şerif Gören genaue Regieanweisung, der Film wurde heimlich gedreht. Güney konnte dann aus der Türkei fliehen und vollendete sein Projekt am Schneidetisch in der Schweiz – dank Cactus Film. Edi Hubschmid erzählt, spannend wie ein Krimi, die Ereignisse nach, beginnend mit dem 14. Oktober 1981, als er und Güney aus der Türkei über Athen nach Paris in die Freiheit flogen. Parallel dazu reisten Güney Frau Fatoş und Sohn Yilmaz mit der Swissair nach Zürich. Ein Wiedersehen der Güney-Familien fand in Marseille statt und dann ging’s weiter nach Zürich…

«Wir waren glücklich» 

Rückblickend rollt Hubschmid den Werdegang des berühmten türkischen Schauspielers und späteren Regisseurs Yilmaz Güney auf. Die Reise endet (im Buch) mit Filmfestspielen Cannes 1984 und einer Goldenen Palme. «Wir erhielten eine der grössten Auszeichnungen, die es in der Filmbranche zu gewinnen», hält Hubschmid fest. «Wir waren zuoberst angekommen. Und wir waren glücklich.»

«Yol – Der Weg ins Exil» heisst das Buch, das Hubschmid mit verschiedenen Dokumenten (Presseheft, Anmerkungen zu «Yol», Begegnungen mit Güney) bestückt und einem eher bitteren Nachspann beschliesst.

Das Vorwort lieferte Xavier Koller, der einen Oscar mit seinem Flüchtlingsdrama «Reise der Hoffnung» gewann. Persönlich hat Koller den Kurden Güney nie kennengelernt, war aber von «Yol» beeindruckt und beeinflusst. Necmettin Çobanoğlu, der in «Yol» mitwirkte, übernahm die Hauptrolle in Kollers Oscar-Spielfilm. Das Buch über Güney und die «Yol»-Produktion liest sich wie eine Reportage und ist wie ein Bilderroman aufgebaut, mit zahllosen Bilddokumenten und Zitaten. Fundiert und lesenswert.

Aufführungen in Kurdistan

Wir trafen Edi Hubschmid im Zürcher Studio Clerici Partner Design, als er mit der Grafikerin Lea Küchler und dem Übersetzer Husên Duzen an der türkisches und kurdischen Endfassung seines Buches arbeitete. Die Zeit drängt, denn bereits am 1. April startet die Retrospektive Yilmaz Güney im Cinema Salim, in der kurdischen Stadt Sulaimani, in der Autonomen Region Kurdistan (Irak). Diese Region Kurdistan ist seit 1970 eine Verwaltungseinheit des Irak – mit weitreichender Autonomie seit 2005. Im Zusammenhang mit der Retro sind Panels u.a. mit Hubschmid am 2. April vorgesehen. Neben den Filmen «Umut – Die Hoffnung», «Duvar – Die Mauer» oder «Sürü – Die Herde» ist auch der preisgekrönte Film «Yol – Die Reise» zu sehen. In der Schweiz ist zurzeit aus juristischen Gründen keine «Yol»-Aufführung möglich (die Rechtslage ist hängig und muss erst noch geklärt werden). Im der Rahmen der Retrospektive in Kurdistan stellt Edi Hubschmid auch sein Buch «Yol – Der Weg ins Exil» vor – auf Deutsch, Türkisch und Kurdisch.

Erbe hochhalten

Husên Duzen, gebürtiger Kurde und wohnhaft im Hamburg, arbeitet als Dolmetscher und Übersetzer, dazu hat er eine Ausbildung als Arzt (Psychiatrie) abgeschlossen. Er hat begeistert die «Yol»-Übersetzung für die türkische und kurdische Ausgabe übernommen. Nicht das erste Mal, so hat er auch den Roman «Hiob» von Joseph Roth und ein Buch über die Grundsätze der Dramaturgie übersetzt. Mutig, findet Hubschmid, dass der Kurde Duzen mit vollem Namen für seine Arbeit jetzt einsteht.
An der kurdischen Ausgabe war auch die Lehrerin Fexriya Adsay beteiligt, sie hat zusammen mit Freunden die kurdische Zeitschrift «Zarema» herausgegeben. Das hat den türkischen Machthabern nicht gepasst, und sie haben die Lehrerin entlassen, so war sie froh, das kurdische Lektorat für Hubschmids Buch zu übernehmen.