Yilmaz Güney hatte ich persönlich nie kennen gelernt. »Sürü« war meine erste Begegnung mit ihm – über die Leinwand. Dessen starke Bilder blieben in meinem Gedächtnis hängen. Da war ein starker, kluger Kopf am Werk, dachte ich mir. Cactus Film hatte den Streifen damals in der Schweiz in die Kinos gebracht. Als ich später erfuhr, dass der Urheber des Werks, Yilmaz Güney, im Gefängnis saß und Zeki Ökten den Film nach seinen Anweisungen gedreht hatte, war mein Interesse an Güney vollkommen erwacht. Wer war dieser Mann? Wie war es möglich, einen derart starken Film aus der Gefangenschaft heraus zu kreieren und zu kontrollieren? Wie schuf er die Voraussetzungen dafür, dies alles möglich zu machen? Wo kam dieser Güney her? Was war seine Vergangenheit? Was war sein Verbrechen, für das er neunzehn Jahre im Gefängnis sitzen sollte? Wer waren seine Verbündeten, seine kreativen Mitarbeiter, denen er das Vertrauen gab, diesen Film zu drehen? Viel konnte ich damals noch nicht in Erfahrung bringen, denn Publikationen in deutscher Sprache fanden sich noch nicht.

Dann kam »Yol«, gedreht von Şerif Gören. Dieser Film hatte mich noch stärker reingenommen als »Sürü«! Nachdem »Yol« in Cannes gewonnen hatte, gab es endlich erste Informationen über Yilmaz Güney. So wurde bekannt, dass er »Bayram«, das Opferfest, für das die Gefangenen für einige Tage ihre Familien besuchen durften, wie in »Yol« dargestellt, für seine eigene Flucht aus dem Gefängnis reproduzierte. Genial!

Diese Geschichte über Yilmaz Güneys persönliche »Yol« ins Exil erzählt Edi Hubschmid in seinem sehr persönlichen Buch ausführlich und eindrücklich. Er macht einsehbar, mit welchem kreativen Kalkül Güney arbeitete, mit welcher schöpferischen Kraft er die ihm aufgebrummte Strafe erduldete. Wie er den Film »Yol« strategisch nutzte (meine persönliche Einschätzung), um sich ein Leben außerhalb der Gefängnismauern zu sichern.